Eine
psychische Erkrankung - die sich in immer
kürzeren Schüben bemerkbar machte - führte
dazu, dass mein Bruder seine Tätigkeit als Mechanikermeister
aufgeben musste. Eine Anstellung fand er nicht mehr; dafür
bekam er eine IV-Rente, die zu einer massiven Einschränkung
der Lebensweise zwang - zumal er eine Familie zu ernähren
hatte. Ohne seine Frau, die berufstätig war, wären
sie wohl kaum durchgekommen. Leider kam es später zur
Scheidung. Die
Belastung für Frau und Kind war einfach zu gross.
Irgendwann
wurde das Malen zu seiner grossen
Leidenschaft. Zu dieser Zeit lebte mein Bruder bereits allein in einer
kleinen Wohnung in Niederbipp, wo ich ihn ab und zu besuchte.
Später zog er um nach Melchnau.
So
sind die Bilder (etwa 30 insgesamt) entstanden.
Ansonsten gab es nicht viel, das dem täglich
bedrängten Gemüte etwas Linderung verschaffte. In den
letzten Jahren aber wurde auch die Arbeit mit Pinsel und Farbe zuviel
für ihn.
Durch
die soziale Verarmung und die Stimmen in
seinem Kopf einer schleichenden Dekompensation preisgegeben,
verschlechterte sich zusehends der Gesundheitszustand des Probanden.
Unmengen an Zigaretten (4 bis 5 Päckchen pro Tag) forderten
schliesslich ihren Tribut in Form einer "Chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung", die zum verfrühten Ableben meines Bruders
beitrug. Wenn ich es doch nur hätte verhindern
können! Doch Marcel alias "Cellomar" war - ungeachtet seiner
bestechenden Intelligenz - äusserst eigensinnig veranlagt (ein
genetisches Attribut des Sunier-Clans), so dass ich ihn nicht zur
Reduktion seines Nikotinkonsums zu bewegen vermochte. Zugleich verstand
ich gut, weshalb einer soviel rauchte. Gehen Sie einmal in eine
Psychiatrische Klinik, um die Patienten zu beobachten. Viele von ihnen
rauchen ohne Unterlass, um so die innere Unruhe und Leere zu
bekämpfen.
Als
das "Nashorn" - so nannten wir ihn im engeren
Kreise - nicht länger unter uns weilte, wälzte sich
ein unbeschreiblicher Schmerz aus meiner Brust, der eine ganze Woche
anhielt und mir unablässig die Tränen in die Augen
trieb. Ja, ich hatte meinen Bruder von Kindesbeinen an geliebt wie mein
eigenes Herz! Und nun war er für immer von uns gegangen.
Selbst heute noch - nach über zehn Jahren - befällt
mich manchmal eine tiefe Traurigkeit.
|